6. January 2009
Auf HDS ist mal wieder ein gestander Drucker über die Sonderformen des Überdruckens gestolpert. Daher (auf Anfrage) hier noch mal die Basics: was kann überdruckt werden und was nicht? Und weil auch das regelmäßig für Verwirrung sorgt: hier geht‘s nicht ums Überfüllen, sondern ums Überdrucken.
Eine Vorbemerkung zur besseren Einordnung des Folgenden: “Überdrucken” hat nichts mit “Transparenz” zu tun. Es ist eine Technik, die vor langer, langer Zeit (“…so etwa letzten Freitag”) eingeführt wurde, als RIPs noch auf Prozessoren liefen, über die heute ein Taschenrechner die Nase rümpfen würde. Zu einer Zeit, als ich selbst von PostScript noch gar keine Ahnung hatte. Statt wie heute “fast keine Ahnung” ;)
Soweit ich das mir erklären kann, wurde “Überdrucken” als technische Voraussetzung für das “Überfüllen” benötigt. Ursprünglich konnte deswegen auch nur zwischen CMYK und Schmuck oder zwischen Schmuck und Schmuck überdruckt werden, um gezielt Bereiche dieser Farben überlappen zu lassen. Über die Einführung des “OPM”, mit dem auch CMYK unter strengen Bedingungen mit CMYK gemischt werden kann, siehe die Anmerkung ganz unten.
Normalerweise verwenden PostScript und PDF ein “opakes” Grafikmodell. Das heißt, dass bei zwei überlagernden Flächen das obere das untere komplett abdeckt. Technisch gesprochen, wird erst das untere gezeichnet, dann wird das obere gezeichnet und jeder Punkt auf dem Blatt erhält die Farbe des zuletzt an dieser Stelle gezeichnete Objekts, egal ob da vorher schon was hingemalt wurde oder nicht. Liegt ein Cyan-Kreis über einem Gelben wird in der Fläche des oberen Kreises der Gelb-Kanal komplett auf 0% gesetzt.
Letztlich ist das opake Grafikmodell für den Computer das einfachste von allen: Es wird einfach ein neuer Wert in die entsprechenden Speicherzellen geschrieben, ohne zu berücksichtigen, welcher Wert vorher da war.
“Überdrucken” bedeutet, dass - bevor das obere Objekt gezeichnet wird - nur die verwendeten Kanäle auf 0 zurückgesetzt werden.
Oder auch das in anderen Worten: für jeden Pixel des Bildes, das vom RIP berechnet wird, gibt es für jede zu druckende Farbe ein Byte im Speicher des RIPs. Spart das neue Objekt aus, werden alle Bytes auf die Farbwerte des neuen Objekts gesetzt. Überdruckt das neue Objekt, werden nur die Bytes überschrieben, die im neuen Objekt nicht Null sind. Auch hier wird vollkommen ignoriert, welche Werte in den Bytes bereits vorhanden sind. Es wird nur beachtet, welche Werte hineingeschrieben werden. Das erklärt vielleicht auch, warum “Überdrucken” so funktioniert: es ist einfach. (Zur Erinnerung: einem heutigem Toaster wäre eine RIP-CPU von 1990 peinlich.)
Weil ich im Folgenden mit Farbmischungen argumentieren muss, stelle ich die Mischungen mit diesem Sechserfeld dar: C, M, Y, K, HKS 4, HKS 46
In den folgenden Beispielen liegt der rechte Kreis immer über dem linken.
Da hier der blaue Kreis keinen Gelbanteil hat, bleibt der gelbe unangetastet und man bekommt eine grüne Mischfarbe.
Sobald wir dem rechten Kreis aber etwas Gelb hinzumischen, ist dieser Prozentsatz in der Mischfläche zu sehen. Die 100% dahinter werden komplett ignoriert. Diese Situation stellt gut den Unterschied zwischen “Überdrucken” und “Multiplizieren” dar. “Multiplizieren” mischt die Farben immer miteinander, unabhängig von den Farbwerten.
Wenn Sie eine Schmuckfarbe auf eine Prozessfarbe legen, teilen sich die Objekte per definitionem keine Kanäle und Sie erhalten immer das gleiche Ergebnis wie beim Multiplizieren. Das hat wahrscheinlich zu der Verwechslung der beiden maßgeblich beigetragen.
Wird die gleiche Situation aber 1:1 in Prozess übertragen, greift wieder die Regel von oben.
Für Verläufe gilt genau das gleiche wie für einfarbige Flächen. Es wird nur verwirrender dadurch, dass nun vier (oder mehr) Farben betrachtet werden müssen und nicht nur zwei. Bei einfachen Verläufen passiert nichts überraschendes.
Hier sieht man das leicht zu übersehende Problem. Magenta ist im oberen Kreis vorhanden und überschreibt damit komplett den Magentaverlauf im unteren. Das wäre auch der Fall, wenn der Magentaanteil des oberen von 1% zu 0% verlaufen würde: dann wäre über die gesamte Distanz der Magentaanteil höher als 0% und überschriebe damit den unteren Verlauf.
Für Schmuckfarben ergibt sich exakt das gleiche Bild. Wenn im oberen Verlauf die untere Farbe nicht enthalten ist, passiert das gewünschte.
Wenn die untere Farbe aber im oberen Verlauf enthalten ist, findet keine Mischung mit dem unteren Objekt statt.
Genau dieselbe Situation, nur die Objekte sind anders arrangiert: links der Verlauf von HKS 4 nach Weiß. rechts der Verlauf von HKS 4 nach HKS 46. Beide Verläufe stehen auf überdrucken, aber nur der linke hat keinen HKS 46 Anteil.
Vielleicht hilft diese Darstellung ja als Erinnerungshilfe, wann Überdrucken “funktioniert” und wann nicht.
Ach ja, wer mit den Beispielen oben selbst experimentieren will: ./2spot.zip
Edit: Robert Zacherl hat mit darauf aufmerksam gemacht, dass ich einige technische Details unterschlagen habe, die ggf. wichtig werden können.
Bei Prozessfarben im DeviceCMYK-Farbraum kommt erschwerend hinzu, dass es lange Zeit überhaupt kein Überdrucken zwischen einem DeviceCMYK-Objekt im Vordergrund und CMYK im Hintergrund gab. Erst mit Einführung von OPM (aka Illustrator Überdruckmodus) wurde dies möglich. Allerdings gibt es auch hier mindestens zwei wichtige Einschränkungen:
Der zweite Punkt steht in scheinbarem Widerspruch zu meinem einfachen Verlauf oben. Wenn man aber sich das PDF mit PitStop anschaut, sieht man, dass der Verlauf von InDesign nicht als DeviceCMYK aufgebaut wird, sondern als DeviceN.
Wandle ich den Farbraum des Verlaufs in DeviceCMYK um, sieht man, dass Robert wie immer Recht hat ;)